Die Vorgeschichte
Als Medieninformatiker bestand ein Teil meines Studiums aus (Medien-)Gestaltung. Bei Professor Groh wurde ich zum Typonerd (na gut, bissl Veranlagung und LaTeX ist auch dran schuld) und kann mit etwas Basiswissen Logos und Corprate Designs auseinandernehmen (und ich rate jedem, der die Möglichkeit hat, bei ihm mal eine Vorlesung zu besuchen). So ein bisschen hat sich das erhalten: Gut gemachte Infografiken finde ich super (wobei sich hier immer mehr auch “Stümper” breit machen, sei es in der Gestaltung, vor allem aber bei den Daten), ich liebe Webcomics (Linktipps) und lasse mich gern von einfachen aber wirksamen Visualisierungen begeistern (die man nicht zuletzt bei den Sachgeschichten der “Sendung mit der Maus” oder “Wissen macht Ah!” findet). Bei verschiedenen Workshops, wie L3T’s Work, unserem HDS-Kurs zur Hochschuldidaktik oder Beispiele von Oliver Tacke war mir aufgefallen, dass kleine Sketches scheinbar wieder “in” werden (vielleicht waren sie es auch schon immer, aber selektive Aufmerksamkeit und so). Man könnte nun kühn schlussfolgern, dass der Handmade-Trend (Stichwort Dawanda, ich nehme keine Haftung für Kaufräusche) auch in den (Präsentations-)Medien (wieder) angekommen sei: Sandra und Martin schreiben Vortragsfolien auch mal per Hand/Sylus, Erklärungen von CommonCraft sammeln fleißig Clicks und The RSA animate visualisiert Vorträge so, dass mir der Mund offen stehen bleibt.
Aber das sind ja Profis. Künstler. Sowas kann doch ich nicht.
Für das HDS-Modul hatte ich zwar bereits einen ersten Versuch zum Malen auf dem Tablet PC gemacht (gewünscht war eine Fachlandkarte, ich wählte eine Vorlesung zu E-Learning als E-Business (die Akzeptanz digitaler Aufgabenlösungen war aber ein wenig… mangelhaft):
Digitale Fachlandkarten haben übrigens so ihre Probleme…
… aber das ist ja echt amateurhaft, das kann man doch keinem zeigen und so.
Letzendlich war es aber ein Tweet von Ralf Appelt, der mich darauf gebracht hat, das doch einfach noch einmal selbst zu versuchen.
Meine Sketchnotes zum Vortrag "Qualitative Forschungsmethoden in der empirischen Bildungsforschung" @unihh http://t.co/MqCLvVUa #epb
— Ralf Appelt (@ralfa) September 13, 2012
Ralf ist Pädagoge, arbeitet als wissenschaftlicher Mitarbeiter in Hamburg und war bisher auf jedem Educamp, auf dem ich auch war, also auf dem echb11 und dem ecco12. Auf letzterem hat seine Gruppe und er beim EduHack einen ganz tollen Film auf dem iPad produziert und es ist einfach nicht weg zu diskutieren, dass er zeichnerisch irre viel Übung hat und mir damit schon ein wenig voraus ist. Nach dem oben genannten Tweet hab ich dann doch mal nachgefragt:
@ralfa die sehen klasse aus. Hast Du das irgendwann angefangen und mit Talent soweit entwickelt oder gibt es da was zu lesen? #sketchnotes
— Anja Lorenz (@anjalorenz) September 13, 2012
Und siehe da, es gibt da eine Strömung zum Skech-Noting zu geben, d.h. dem schnellen Notieren in einer stark visuellen Form. Ralf sammelt dazu Ressourcen und Beispiele unter sketchnotes.de.
Erste Gehversucht im Sketchnoting
Da ich eine kleine Guerilla-Werbeaktion während des #WEL12 plane, um noch ein paar Teilnehmer für meine Umfrage für das CELePro-Projekt zu gewinnen, fand ich das einen guten Ansatz, für den Flyer das Sketching ein wenig auszuprobieren. Dabei habe ich festgestellt, dass das keine triviale Aufgabe ist, die ich mir da gestellt habe. Einen ersten Versuche habe ich zum Freitag Feierabend mit Evernote Skitch gestartet:
Ich fand das Tool nicht schlecht, war aber von der geringen Auflösung, in der das Bild gespeichert wurde, enttäuscht. Nach ein paar Versuchen kommt man aber relativ schnell auf die Anfoderungen, die das Sketch-noting so mit sich bringt. Aber erst einmal zur Technik…
Technische Ausstattung
Ich hatte sowohl mit meinem Asus IEEE Transformer TF101 plus Eingabestift, als auch mit dem Lenovo Thinkpad Tablet-PC (ich glaube es ist ein X220er, bin mir aber nicht sicher) meines Lehrstuhls testen können. Der Lenovo hat den Vorteil, dass man die Hand auflegen kann, während man mit dem Stylus zeichnet. Perspektivisch werde ich aber das Tablet öfter dabei haben,daher strebe ich eher eine Alltagslösung für dieses an.
Software-Anwendungen und Mobile Apps
Nach ein paar Versuchen haben sich doch recht schnell die Anforderungen an Anwendungen zum Sketch-Noting ergeben:
- Man sollte relativ einfach einen klaren Strich zeichnen können. Hierbei hilft es, wenn das Programm die Linien selbst schon etwas glättet.
- Zur Hervorhebung und Illustrations, sollte es außerdem eine halbtransparente Zeichenmöglichkeit geben.
- Verschiedene Stiftstärken und Farben sind auch Basics für eine akzeptable Anwendung.
- Ein “unendliches Blatt”, d.h. wenig oder keine Einschränkungen bei der Skalierung, macht es zudem leicht, wenn man nicht gleich zu Anfang weiß, wie groß die Zeichnung mal werden soll.
- Es ist außedem ganz nett, wenn man einmal gezeichnete Elemente im Nachhinnein noch transformieren (verschieben, skalieren, drehen etc.) kann.
- Ein Knackpunkt ist das Speicherformat: Wenn man hinterher mit den Grafiken noch etwas machen will, sollte die Anwendung entweder hochaufgelöst in Pixelgrafik-Formaten oder idealerweise als Vektorgrafik speichern können. Workarounds durch Screenshots können ebenfalls eine Lösung sein.
- Achja, und weil ich zum Testen am Wochenende kein Budget vorgesehen hatte, wollte ich gern kostenfrei bleiben, was aber nicht ausschließt, dass ich für DAS perfekte Programm auch was zahlen würde.
Ich habe bisher leider keine Anwendung gefunden, die alle Anforderungen entspricht, aber einige, die ganz gut zu sein scheinen. Zunächst für den Lenovo Tablet-PC, also unter Windows 7:
- Windows Journal: Ausgehend von dem Flipped-Classrooom Video von Jörn Loviscach hatte ich im Gedächtnis, dass man damit mittels Stylus ganz gut zeichnen kann (die Anforderungen der Videoaufzeichnung unterscheiden sich aber doch). Kann man auch. Eigentlich erfüllt das Programm recht viele Anforderungen, leider speichert es nur in einem proprietären Format (das exportierte TIFF-Bild hat etwa die Qualität eines Faxes und ist nicht zu gebrauchen). Außerdem ist es mir gegen Ende recht oft abgestürzt.
- PowerPoint: …ist ja in der 2010er Version wesentlich besser geworden und auch für die Sketches nicht schlecht. Nur ist das Format von Vorn herein fest, eine nachträgliche Änderung verzerrt das Bild. Ich habe nicht so lange damit herumgespielt, aber schlecht scheint es generell nicht zu sein.
- Andere einfach, aber gut Zeichenprogramme wie MyPaint: Letzteres habe ich auf der Suche nach einer kostenfreien Alternative zu ArtRage gefunden, das es leider nicht mehr kostenfrei gibt. Einziger Nachteil bisher: Man kann nur einzelne Schritte rückgängig machen, nicht aber Elemente nachträglich transformieren. Es ist eben wie beim analogen Zeichnen.
Außerdem habe ich das Asus Tablet strapaziert, das mit Android ice Cream Sandwich (4.0.3) läuft:
- Erstes Testobjekt weil schon bekannt war Evernote Skitch, das sich kinderleicht bedienen lässt (schon getestet von einer Fünfjährigen): Ärgerlich war nach dem ersten Test die schlechte Auflösung. Hierfür sollte man zu Beginn des Sketches etwas herauszoomen um schon recht groß zu beginngen, dann sieht auch das Ergebnis ganz gut aus (muss man eben nur wissen. Die feste Platte schränkt die Farbauswahl etwas ein, was ein paar Abzüge in der B-Note bringt.
- SketchBook Express: Auch schon etwas länger auf dem Tablet (“falls man mal was malen oder Kinder beschäftigen will”) gefiel es mir in ganz gut. Ralf meinte, er habe seine Sketches mit der entsprehchenden Pro-Version für das iPad erstellt. Die App glättet nicht, was nach etwas Übung vielleicht auch nicht mehr relevant ist. Außerdem kann man wie bei MyPaint die einmal gezeichneten Elemente nicht bearbeiten.
Diese Listen sind eher Good als Bad Practices. Ich habe noch ein paar weitere Anwendungen getestet, aber wieder verworfen, wenn sie Kriterien gar nicht erfüllen wollten. Ich bin aber für jegliche Tipps dankbar.
Das erste Ergebnis
Mein erstes Sketch für den Flyer sieht nun so aus:
Die Erstellung lief nicht ideal und kann effizienter ablaufen, aber das Ergebnis kann ich für den Flyer verwenden (glaube ich, was meint Ihr?). Die Zeichnung hatteich am Lenovo-Tablet-PC in Windows Journal gemacht, auf meinen Rechner gezogen und dort in Windows Journal einen Screenshot gemacht. Dann hab ich es freigestellt und die Hilfslinien heraus retuschiert. Mithilfe von Corel habe ich es vektorisiert, noch ein paar Details gerade gerückt und die Schrift eingefügt (vorher hatte ich sie handschriftlich drin, aber die Vektorisierung lieferte hier absolut unakzeptable Ergebnisse).
Challenge accepted
Nach den Spielereien ist die eigentliche Herausforderung beim Sketch-Noting aber das Live-Mitmalen. Das muss ich noch üben und ich denke, der WEL12 wird hierfür eine gute Gelegenheit sein. Ich will da schon etwas dranbleiben, weil mit simplen Elementen da offenbar sehr schöne Ergebnisse erreicht werden können. Für weitere Hinweise auf “Better Practices” bin ich dankbar und bleibe weiterhin aufmerksam für gute Beispiele im Sketching.
16. September 2012 um 11:55 Uhr
Ich glaube, Sketches waren nie wirklich weg, sind aber durch die Technisierung in einigen Bereichen einfach in Vergessenheit geraten. Irgendwann wurde auf den Computer umgestellt, da wurden Zeichnungen nicht mehr an der Tafel oder auf Papier erstellt, sondern in Präsentationsfolien irgendwelche Suchmaschinenfundstücke kopiert und Grafiken für Texte “gelayoutet”. Kalte, technische, schematische Abbildungen – oder “wissenschaftliche”, wie Friedemann Schulz von Thun sie nennt. Er ist dann zu einem bestimmten Zeitpunkt doch auf “menschliche” umgestiegen (Wie gestalte ich meine Vorlesung – und halte die Hörerschaft und mich selbst bei Laune – http://beat.doebe.li/bibliothek/t09429.html).
16. September 2012 um 12:55 Uhr
Danke für den Literaturhinwes, mal schauen, wo ich das herbekomme. Und ich stimme Dir zu: sobald die computergenerierten Lösungen für quasi alle zu erreichbar sind,weil jeder Depp mit Prezi basteln kann (und es dann genauso verwendet wie PowerPoint), scheint man sich neue kreative Möglichkeiten zu suchen. So erkläre ich mir auch den Handmade und DIY Trend: persönliche und personalisierte Dinge erleben einen Hype und die Auswahl einer Handytasche auf Dawanda… ohje. Bei den HDS Kursen und L3T’s Work bin ich auch wieder auf die analogen Möglichkeiten aufmerksam geworden, die ich lange vernachlässigt hatte. Methoden- und Medienmix fetzt halt.
16. September 2012 um 20:31 Uhr
Tja, hmm, wenn dir jetzt irgendjemand das Dokument zur Verfügung gestellt hätte, wäre das doch sicher ein Verstoß gegen das Urheberrecht. Aber vielleicht macht das ja jemand.
16. September 2012 um 21:06 Uhr
Hach, schau an, hab das Buch in einer hinteren Ecke meiner Bibliothek gefunden. Glück muss man haben ^^.
16. September 2012 um 12:24 Uhr
Hallo Anja, mein Tipp für die verhasste iOS Welt: http://www.cbcity.de/das-ipad-als-ersatz-fuer-den-collegeblock
16. September 2012 um 12:38 Uhr
“Verhasste iOS Welt”, ich muss da wohl an meinem Auftreten arbeiten ;). Habe auch schon gehört, dass iDraw ziemlich gut hierfür funktionieren soll und wohl sogar SVG Files exportiert. Tjaja, da merkt man wieder, dass Apple warum Apple bei vielen Grafikern beliebt ist…
6. Oktober 2012 um 14:23 Uhr
Zum Thema Visualisierung hatte ich vorletztes Jahr die Gelegenheit, bei einem Workshop der Kommunikationslotsen zu besuchen. Das war echt cool – hier der Link: http://www.kommunikationslotsen.de/visual-facilitating/
Da traut man sich hinterher tatsächlich auch, mal was mit der Hand zu malen 🙂
9. Oktober 2012 um 20:17 Uhr
Sieht super aus. Welchen Workshop hast Du genau belegt? (Wobei es ganz schön teuer ist – wobei sicher gerechtfertigt, aber als private Weiterbildung wäre es schon extrem viel, durch die Uni bekomme ich es sicher nicht finanziert.)
8. Oktober 2012 um 12:38 Uhr
Sketches presse ich meist in apfelfrei in SVG, entweder mit Inkscape oder der Online-Variante: http://code.google.com/p/svg-edit/
9. Oktober 2012 um 20:21 Uhr
Die Demo zu SVG-Edit funktioniert auch auf dem Smartphone. Sehr gut. Hast Du da eine eigene Installation? Die Demo erlaubt ja nur PNG-Export.