Dörte Giebel hat in ihrem Blogbeitrag zum opco11 Online-Event einige der dort gestellten Fragen aufgegriffen und die Diskussion dazu konkretisiert. Eine davon finde ich besonders wichtig und möchte versuchen, darauf zu antworten:
4. Wofür zahlen Teilnehmer/innen heutzutage: für Content oder Connectivity?

Time is money by Nina Matthews (CC-BY)
Wenn man es auf das wesentliche beschränkt: Gezahlt wird das, was einem anderen Arbeit bereitet hat. Hat jemand Content erstellt und dafür Zeit und Geld investiert (Tools, Strom, Lizenzen…) oder ein LMS programmiert / angepasst / aufgesetzt um eine Infrastruktur zu bieten: das alles sind Leistungen. Nehme ich das ein oder andere in Anspruch ist es konsequent, dafür auch zu bezahlen. Das ist auch gar nicht negativ gemeint, sondern legitim, schließlich muss der „Lieferant“ auch seine Miete, Essen etc. bezahlen.
Fast schon ausschließen möchte ich die Überlegung, ob man für das Netzwerken bezahlt: Wenn das so wäre, könnte ich darauf einen Anspruch erheben. Und was passiert dann, wenn die anderen Teilnehmer nicht sehr kommunikativ sind? Bezahlt man dann mehr, je mehr Teilnehmer mitmachen? Wohl kaum. Communities formieren sich an sehr unterschiedlichen Orten. Wohl aber kann man diesen Ort, also die Infrastruktur bezahlen.
Interessant wird es aber, wenn einer nicht mitspielt. Der Lerner ist da erst einmal weniger gemeint, wir reden mal nicht von „Zechprellern“. Es geht eher um kostenfreie Dienstleistungen, die es vor allem im Content-Bereich unzählige im Internet gibt. Dann nehmen Lerner die Dienste in Anspruch, bezahlen aber nichts. Wie beim Open Course: Hier investiert das Team Zeit und Ressourcen ohne etwas Konkretes (Monetäres) zurückzubekommen (auch, wenn ich sicher bin, dass die Orga immateriell schon etwas davon hat). Die Teilnehmer scheinen dafür eher bereit, selbst ihren Beitrag zu leisten (wie die Dörte Giebel und ich und ganz viele anderen). Hätte man dafür von vorn herein bezahlt, würde man eher zu der Einstellung kommen „dann will ich aber auch was davon haben“ und die Konsequenz wäre nicht unbedingt, selbst aktiv zu werden, sondern man würde Erwartungen aufbauen und „vorher den Beipackzettel lesen und wissen, was ich einfordern kann“, wie Dörte Giebel es formuliert.
Es gibt ja Finanzierungsmodelle, die versuchen, freiwillige Arbeit zu entlohnen. Über Micropayments, bspw. organisiert über Flattr, oder Crowdfunding, wie es das L3T-Projekt beispielsweise über Startnext versucht, können freiwillige Beiträge eingesammelt, die kostenlosen Dienste unterstützt und somit gewürdigt werden. Aber auch das scheint nicht ganz einfach, vgl. heise.de.
Brauchen wir also ein neues Geschäftsmodell? Ich meine, für viele unternehmensinterne Contents stellt sich diese Frage nicht: Produktschulungen, Verkaufstrainings etc. sind oft so stark auf das Unternehmen zugeschnitten, sodass sie in einer eigenen, abgeschlossenen Lernumgebung bereitgestellt werden müssen. Hier greifen traditionelle Vertriebswege. Und beim Rest? Gerade für die Softskill-Themen findet man allein bei Slideshare eine ganze Reihe von Präsentationen. Warten wir ab und machen erst einmal so weiter, bis jeder das Internet entdeckt hat? Oder ist es doch die Anleitung und Führung zum Erreichen von Lernzielen, die wir eigentlich bezahlen…?
26. Mai 2011 um 7:28 Uhr
Guten Morgen Anja,
spannend, wie Du eine meiner Fragen aufgegriffen und weiter getrieben hast. Besonders interessant finde ich Deine Fragen nach dem Anspruch von Aktivität anderer Teilnehmer/innen. In Bezug auf Schule wird das doch oft recht eindeutig diskutiert: Bleiben die Schüler/innen passiv, ist der/die Lehrer/in schuld – oder wenigstens das System, dass Leher/innen und Schüler/innen aufgezwungen wird… 😉
Auf Erwachsenenbildung übertragen ließe sich hier also auch ein gewisser Anspruch an die Weiterbildungseinrichtung formulieren, den bestmöglichen Rahmen zu bieten, um Interaktion auzulösen, also wenigstens die Wahrscheilichkeit zu erhöhen, dass auf der Lernplattform etwas passiert. Dies sollte mindestens dann der Fall sein, wenn der Anbieter diesen (potenzielen) Austausch untereinander zu einem USP erklärt. Dann dürfen auch keine Mühen gescheut werden, um zu aktivieren. Diese Mühen werden im Gegenzug natürlich auch bezahlt…
Meines Erachtens geht es um mehr als nur um eine innovative Social Software, die zum Einsatz kommt. Und hier fallen mir jetzt neue Fragen ein, die wir gestern gar nicht diskutiert haben, und die wir auch in Bezug auf den Open Course stellen können:
Funktioniert der #opco11 vielleicht deshalb so gut, weil wir Teilnehmenden ein erkennbares Gegenüber haben, das auf uns reagiert (unsere Blog-Artikel im OpCo-Blog einstellt), unsere Wünsche ernst nimmt (mehr Partizipationsmöglichkeiten in den Live-Sessions), uns Feedback gibt (und sei es wenigstens das, gehört bzw. gelesen worden zu sein, zum Beispiel in Form der wöchentlichen Zusammenfassungen)…? Wäre nur die Infrastruktur bereit gestellt worden, wäre der Kurs meiner Meinung nach schnell tot gewesen.
Also haben wir hier ein wesentliches Element, der zum Gelingen beiträgt, und das ist – tarara! – DER MENSCH.
Und hierzu würde ich jetzt gern noch eimal Michael Kerres hören: Wie intensiv bringen sich die Dozenten/inen oder Tutoren/innen auf der Sozialen Lernplattform des Duisburger Lab ein?
Kann man überhapt eine Soziale Lernlattform aufsetzen, ohne den Faktor Mensch auch auf Seiten des Anbieters verstärkt einzubringen? Braucht es dazu womöglich zusätzliche Mapower? Eine SLP ist ja schließlich mehr als nur der Ablageort für Materialien oder die Notenübersicht.
Ich bin gespannt, was uns noch so an Fragen einfällt…
Viele Grüße, Dörte
26. Mai 2011 um 9:48 Uhr
Danke für Deinen Kommentar.
Ich möchte Dich eigentlich auch nicht bremsen, wenn Du schreibts „Funktioniert der #opco11 vielleicht deshalb so gut, […]“, aber wenn man es ratonal betrachtet: Für den opco11 sind 700 Personen angemeldet, gestern waren so um die 40 im Chat und die Anzahl der aktiv sonst so mitwirkenden würde ich jetzt auch nur knapp darüber schätzen. Da scheint die 90-9-1-Regel wieder zu greifen (auch, wenn sie laut Thomas Vander Wal einer der furchtbaren Web 2.0 Mythen sei http://www.personalinfocloud.com/2010/06/5-enterprise-20-myth-mantras-that-must-die.html). Übertragen auf eine übliche Klassen- oder Seminargröße von 20-30 Lernenden würde man also wieder nur auf die paar wenigen aktiven Mitarbeiter kommen, die man jetzt auch schon hat. Mich führt das zu der Frage: Kann man denn überhaupt mehr Lernende „abholen“ und mit einer Social Learning Plattform begeistern, oder verbessert man „nur“ die Qualität der Lernenden, die ohnehin schon aktiv mitarbeiten?
Ich bin mir aber sicher, dass Prof. Kerres hier seinen OnlineCampus wissenschaftlich begleitet und das entsprechend mit auswerten wird (ansonsten ist das jetzt als Tipp zu verstehen).
Und somit gebe ich Dir recht: das Tool kann toll sein, wie es will, aber wenn die Lernenden nicht mitspielen wird es keinen Spaß machen.
21. Juni 2011 um 15:10 Uhr
ein paar Vorschläge?
->einige Themen, Probleme oder Prozesse auschließlich über die Plattform laufen lassen
-> und in die Bewertung einbeziehen
-> insbesondere für Inhalte, die nicht vorgegeben werden, sondern von den Lernenden zu erarbeiten und einzustellen sind
-> Peer Assessement einschließlich gegenseitiger Bewertung/Diskussion der eingereichten Arbeiten durch die Lernenden selbst
-> die Arbeitsergebnisse namentlich gekennzeichnet (Urheberschaft) als weiterverwendeten Content für spätere Kurse verwenden (zur Weiterentwicklung oder kritischen Bearbeitung) = nicht alles muss sofort 100% korrekt sein (lernen, kritisch mit Vorhandenem umzugehen) – Online Workshop
-> führen eines Lerntagesbuches durch den Lernendenm, in das nur der Lehrende Einblick hat (Coaching, Lernberatung, Beobachtung der Kompetenzentwicklung einschließlich der Selbstreflexion)
-> … etc. pp. ( schon mal was von moodle gehört? das geht alles damit)
22. Juni 2011 um 0:04 Uhr
Hallo und danke für die Vorschläge, auch wenn ich ein wenig gebraucht habe, um darauf zu kommen, wofür eigentlich, bin dann aber auch die Einbindung der Lernenden gekommen.
Sicher gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, mit denen man die Lernenden extrinsisch für die Teilnahme an der Arbeit zu motivieren, aber darum ging es in der Diskussion nicht, sondern um die Steigerung der freiwilligen Teilnahme. Moodle, Ilias, Olat und ihre kommerziellen Geschwister können zwar die Lernaktivitäten verwalten und sehen gerade aus Sicht technisch weniger fokussierter Lehrenden bestimmt auch nicht schlecht,aber ich habe selten gehört, dass die Lernenden davon begeistert sind.
21. Juni 2011 um 15:20 Uhr
Finanzierung und Entlohnung:
– wenn man nur Content verwendet, der meistens eh schon vorhanden ist, braucht man nur die Plattform, (?open source?), den context kann man im Laufe des Kurses weiterentwickeln ( flexibles didaktisches Konzept mit intensiver Vorbereitung (Denkarbeit)
– Entlohnung: online Arbeit sollte gleichwertig zu anderer Arbeit gesehen werden, insbesondere für Lehrende, ansonsten wird auf die Dauer ein bedingungsloses Grundeinkommen auch hier kaum zu umgehen sein
ansonsten sehe ich gerade da ein zentrales Problem:
„let the community work“ (Logoentwicklung für Steinmeiers Wahlkampfkampagne),
„harness collective intellegence“ as „the key to market dominance.“ (das wirkliche Geheimnis der Definition von Web 2.0 durch O’Reilly mit allen Konsequenzen einschl. Urheberrecht)