Wir hören ja so oft, wenn es um neue Hardware, Medien, Dateiformate, Plattformen etc. geht:

“Aber wird sich das durchsetzen? Was ist, wenn das wieder eingestellt wird?”

Dabei verlieren wir scheinbar aus den Augen, wie schnell ehemals bewährte Formate, deren Zukunftssicherheit die wenigsten angezweifelt haben, aus unserem Alltag verschwinden. Mir ist das vor ein paar Wochen aufgefallen, als ich eine Kassette aufnehmen wollte.

Eine Kassette? Warum das denn?

Kurz zum Hintergrund: Wir haben ein besonderes Geschenk gesucht und weil die zu Beschenkenden Hörspielfans, insb. der Reihe “Die drei ???” sind, haben wir eine individualisierte Folge aufgenommen (wie wir das gemacht haben, darüber hat Kai auf seinem Blog schon geschrieben).

Aber wie verschenkt man ein Hörspiel? Wir hatten am Ende ein mp3-File, da gibt es viele Möglichkeiten, das weiterzugeben: Link zur Cloud Deiner Wahl, USB-Stick, CD/DVD, Diskette… oder eben sehr authentisch auf Kassette.

MP3 2 MC (2016 Edition)

Erster Check: Haben wir noch ein Gerät, mit dem man Kassetten aufnehmen kann?

Ja, haben wir. Beim Einzug in eine “echte” eigene Wohnung hatte meine Mutter darum gebeten, dass ich die Stereoanlage aus meinem Kinderzimmer doch nun mitnehmen oder mich von ihr trennen könne. Da externe Geräte über Klinke anschließen kann, hatte sie erst einmal Asyl bekommen.

Stereoanlage

Stereoanlage, doch noch nützlich?

Der zweite Check: Kann man leere Kassetten noch bei Amazon bestellen und sind die bezahlbar?

Ja, kann man, der Preis war auch kein Hindernis.

Kassette

Für die jüngeren unter Euch: das ist eine Kassette (MC)

Dann mal los: MP3 2 MC

Wir wählten das Tablet als Gerät aus, von dem aus wir die MP3 via Klinkeneingang auf Kassette aufnehmen wollten (das Gerät ist ja während der Aufnahme gut 60 Minuten gebunden, da mag das gut überlegt sein). Flugmodus an, sämtliche Notifications aus, angestöpselt und… Mist! Man kann nur von CD oder MC aufnehmen  😕

Ich konnte mir den Dialog der damaligen Produkt-Designer vorstellen regelrecht

D1: “Sollen wir auch von Extern aufnehmen können?”
D2: “Nein, wozu? CD und MC kann man direkt mit der Stereoanlage aufnehmen. Was sollte man noch aufnehmen wollen? Schallplatte?”
– alle lachen –

Ok, dann vielleicht CD? In den Tiefen unseres privaten Medienmuseums (in einer Kiste mit “behalten wir mal lieber noch”-Dingen, die wir seit dem Umzug sicher nicht geöffnet haben) haben wir zunächst eine CD-RW gefunden. Wann habt Ihr das letzte mal eine CD gebrannt? Wir jedenfalls mussten erst noch ein Brennprogramm googeln und runterladen. Rein in die Stereoanlage und… kann nicht gelesen werden 😕

Hmm. “Musste man Audio-CDs nicht abschließen oder so?” Gemacht, ging immer noch nicht 😕

Nächste Vermutung: es liegt vielleict an RW und mit großer Sicherheit hätte ich so etwas früher sofort gewusst und es gar nicht erst versucht. Und wieder Glück gehabt: wir haben sogar noch eine CD-R gefunden. Gebrannt, rein in die Stereoanlagen und… läuft \o/

Dann ging es wieder einfach: Kassette von CD aufnehmen, beim Seitenwechsel schön aufpassen und auf den restlichen noch freien Platz der B-Seite gab es noch, was eben bei mir so rumlag  😀

The greater view

“Aber wird sich das durchsetzen? Was ist, wenn das wieder eingestellt wird?”

Diese Fragen sind besonders bei hohen Investitionen aus staatlichen Geldbeuteln wichtig und richtig: Man darf nicht blind das erste nehmen, was glitzert (aber anschauen darf und soll man es). Allerdings kippt diese Diskussion schnell ins andere Extrem, nämlich dass alte “bewährte” Lösungen den innovativen Ansätzen vorgezogen werden: Interaktivität verliert gegen Druckversion, Individualisierung verliert gegen zentrale Steuerung, Social-Media-Einbindung verliert gegen “alle mitnehmen, die das nicht wollen”.

Es ist kein Weltuntergang, wenn sich eine Plattform oder Technologie mal nicht durchsetzt, guter Content findet Wege, um erhalten zu bleiben.

Ein Beispiel: Ich habe Das singende klingende Bäumchen vorgelesen bekommen (aus einem Buch aus Papier mit Text und Bildern), ich habe den DEFA-Film im Dorfkino gesehen, wir hatten einen Rollfilm für die Pouva Magica (siehe unten), im TV kam er sicher zu Weihnachten, als VHS aufkam, haben wir ihn aufgenommen, dann haben wir die Online-TV-Recorder-Aufnahme auf DVD gebrannt, dann war er mal als Heft-Beilage in besserer Qualität dabei und jetzt kann ich ihn mir auf sämtlichen Streamingdiensten ansehen, wann ich will und ohne aufstehen und ihn raussuchen zu müssen.

 

Das Medium ändert sich ständig, guter Content wird es überleben – und der Einsatz “alter Medien” kann verzwickter sein, als man denkt 🙂