Was man halt Samstag nachts so macht: ich bin auf ein Video gestoßen, in dem die Weihnachtsvorlesung meines ehemaligen Matheprofs Bernhard Ganter von einem (ehemaligen/immernoch?) Studenten vertont wurde. Die Folien stehen im Netz, ich frage lieber nicht, ob der Nutzer die Genehmigung dazu hatte.

tl;dr

Die Hattie-Studie bestätigt: es kommt auf den Lehrer an. Aber was ist, wenn das stimmt?

Zuerst möchte ich betonen: Ich fand diese Vorlesung sehr gut, sie ist mir noch sehr gut im Gedächtnis und ich werde mein Leben lang wissen, was invertierbare Matrizen sind, denn die Mischmaschmatrix ist nicht invertierbar, und deshalb kann man aus Teig keine Zutaten mehr machen. Ich habe mir die Definition von Plätzchen selbst für meine weihnachtlichen Übungen zur Prozessmodellierung vom Plätzchenbacken geliehen. Und ehe Prof. Ganter Panik bekommt: Ich habe in den Vorlesungen auch noch mehr gelernt. Zum Beispiel, was Schwellendidaktik ist, (weil der neue Harry-Potter-Band nachts verkauft wurde) 😛

Aber das Video ist ein schönes Beispiel dafür: es kommt sehr auf die Lehrperson und deren didaktische Fähigkeiten an. Die Bemühungen des YouTubers in allen Ehren: keine Zusammenhänge, einfaches Ablesen der Folien etc. Das fetzt so nicht. Sorry. Inhalte UND Präsentation (nenn’ es  Didaktik) müssen stimmen. Bei Andreas Wittke lese ich das gerade immer wieder bestätigt, bspw. hier oder hier.

Aber was fangen wir mit diesen Erkenntnissen an? Die Pädagogen/Erziehungswissenschaftler sagen dann sicher so etwas wie “wir sagen seit Jahrenzehnten/-hunderten, dass es auf die Vermittlungsform ankommt.” Aber liefern sie hierfür Antworten? Warum habe ich meinem Matheprof damals so gebannt zugehört und finde das Video nicht gut? Gleichzeitig bin ich sicher, dass das Video aufgenommen vom Matheprof ein Hit wäre. Warum bekommt das Video vom Spritzgießen so viele Klicks, liebe Pädagogen? Warum basiert das Erfolgskonzept der Sendung mit der Maus so stark auf Armin, Christoph, Ralf und Malin?

Ich bin ja gerade etwas rumgekommen (#oerde14, #delfi2014 a & b, #q2p) und habe mit verschiedenen Rahmenbedingungen gearbeitet: In Präsenz akzeptiert man schlecht lesbare Folien aufgrund von Lichtverhältnissen oder miesen Ton aufgrund fehlender Mikrophone, wenn der Redner gut ist. Der kann ja nix dafür. Bei Videos im Web ist das oft anders: hier hat man es quasi selbst in der Hand – obwohl hier weitere Kompetenzen benötigt werden, die es in Präsenz oft nicht braucht oder die man dort outsourcen kann: Tonqualität, Lesbarkeit der visuellen Unterstützung etc.

Die Frage bleibt aber (vor allem an die Pädagogen/Erziehungswissenschaftler): Wie viel Instruktionsdesign ist möglich, was muss die Lehrperson mitbringen? Wie viel ist vom Rahmen abhängig? Und damit meinerseits vor allem: was kann der Rahmen leisten?

Seien wir ehrlich: wir erinnern uns an die coolen Profs vor allem daher, weil es genügend Profs gab, die weniger interessante Vorlesungen gehalten haben. Wo Licht ist, ist auch Schatten (5€ ins Phrasenschwein). Eine wissenschaftliche (nicht ganz unumstrittene) Fundierung geht seit etwa einem Jahr um: die Hattie-Studie bestätigt, dass es auf den Lehrer ankommt.

Dreimal die späten Gedanken gedreht: was ist eigentlich, wenn das stimmt? Kann man sich bei der Lehrmittelgestaltung, bei der Lehrmethodik, bei didaktischen Konzepten, bei Gamification und bei gestaltungsorientierter Didaktikforschung drehen wie man will, da ganze könnte ohnehin vor allem vom Lehrenden abhängen? Maskieren Lehrmethoden bestenfalls schlechte Lehrpersonen? Müsste man vor der Aufnahme eines Lehramtsstudiums oder vor der Einladung zum Berufungsverfahren auf die generelle Eignung als Lehrperson “testen” lassen?

Wollen wir an dieser Stelle weiterdenken? Und müssen wir das, wenn wir uns um den (online-/medialen) Rahmen von Lernangeboten geht?