Seit langem habe ich mal wieder einen Workshop zu Open Educational Resources (OER) gegeben (hier schonmal der Link zum digitalen Handout). Bei der Vorbereitung hat mich wieder etwas gestört, das mich schon bei früheren Workshops zu dem Thema genervt hat: der hohe Anteil an Frontalunterricht, besonders bei den Themen rund ums Urheberrecht und Lizenzen. Ich trage die Fakten vor, die Teilnehmenden dürfen jederzeit (Verständnis-)Fragen dazu stellen. Ohne dieses Grundlagenwissen kann man nicht sinnvoll weiterarbeiten, daher ist das sicher auch nötig. Und dennoch hat es mich immer gestört, wenn ich sagen musste: „Sorry, ich bin zwar Verfechterin von offenen Lernstrukturen, aber … na ja … da müssen wir jetzt durch“.

Ich wollte das gern etwas aktiver für die Teilnehmenden gestalten, aber wie? Gruppenarbeit? Diskussionsrunden? Abstimmungen, ob man CC BY oder CC BY-SA besser findet? Wenn es am Ende nur darum geht, die Teilnehmenden zum Reden zu bringen, ohne ihnen tatsächliche Gestaltungsräume zu geben, fühlt sich das für mich nicht richtig an, und dann kann ich das auch nicht authentisch rüberbringen.

Idee dank EduCamp: Rollenkarten

Beim letzten EduCamp in Essen hat Dirk Ledwig (Profil bei LinkedIn) mich aber auf eine Idee gebracht. Er hat gezeigt, wie er mithilfe von ChatGPT Rollenkarten für Gruppenarbeiten generiert. Dirk hatte dafür einen richtig umfangreichen Prompt entwickelt und dann eine Canva-Vorlage genutzt, um die generierten Bilder und Texte für Rollennamen und -beschreibungen zusammenzusetzen. Heraus kamen beeindruckende Rollenkarten im Steampunk-Stil mit Rollen wie „Zeitwächter“ oder „Ideenverbinder“ für den Einsatz im Schulunterricht.

Ich fand die Idee super, wollte aber keine Rollen zur Unterstützung von Gruppenarbeit, sondern solche, mit denen man Perspektiven auf das Thema OER einnehmen kann. Also: Lehrende, Lernende, Autor:innen, Verlage, Bildungsministerien und die Gesellschaft. Das waren die Rollen, für die ich mich nach ersten Gedanken von mir und etwas Buddy-Brainstorming mit künstlicher und menschlicher Intelligenz entschieden habe.

HowTo: Rollenkarten erstellen

Dann habe ich mit ChatGPT die Rollenkarten ausgearbeitet. Ich habe dafür aber nicht Dirks Mega-Prompt übernommen (den hätte ich zu stark umbauen müssen), sondern mich langsam herangetastet. Merke: die echten Expert:innen sagen Chain-of-Thought-Prompting dazu, gemeint ist damit, dass man Schritt für Schritt vorgeht, Ergebnisse nachschärft und die Ergebnisse weiterentwickelt. Dazu gehört auch, dass ich mir die Prompts zur Generierung der Grafiken formulieren lasse, damit ich sie anpassen kann:

Prompt zur Generierung der Profilbilder

Wichtig war mir, dass alle sechs Profilbilder im gleichen Grafikstil erstellt werden, deshalb habe ich sie alle in einem Bild generieren lassen. Die im Bild generierten Texte werden immer besser, aber die habe ich ohnehin später via Canva zusammengesetzt, konnte die Ergebnisgrafik also einfach auf die jeweiligen Profilbilder zuschneiden.

Output von ChatGPT

Die Karten habe ich dann wirklich „zum Anfassen“ gebastelt: Bilder ausgedruckt, auf dünne Pappe geklebt, mit Bücherfolie überzogen. (Man könnte sie auch laminieren, falls man ein entsprechendes Gerät besitzt.)

Fertig gebastelt

Beim Text bin ich so vorgegangen: Nachdem ich mich auf die Rollen und die exakten Bezeichnungen festgelegt hatte, habe ich die Beschreibungstexte generieren lassen. Dabei habe ich bereits einige Stichpunkte mitgegeben. Hauptaufgabe für ChatGPT war, die Texte gut und treffend zusammenzufassen, damit sie gut auf die Karten passen.

Einsatz im Workshop

Im Workshop bestand die Aufgabe dann darin, neben der eigenen auch die Perspektive der gezogenen Rolle einzunehmen. Wie bei allen Zwischenfragen im Workshop war es natürlich erlaubt, jederzeit nachzufragen oder sich einzubringen – aber ich hatte auch feste Zeitpunkte eingeplant, um bewusst den Perspektivwechsel einzuleiten.

Slide aus dem Workshop: Deine Aufgabe: Behalte diese Perspektive im Kopf. Was bedeutet OER für Deine Rolle? Was wäre hilfreich, was vielleicht problematisch?

Letzten Freitag habe ich das Ganze dann beim Workshop an der Universität zu Lübeck ausprobiert. Es hat super funktioniert! Vorteil war natürlich, dass ich eine sehr motivierte und interessierte Gruppe vor mir hatte, die sich den Workshop gezielt ausgesucht hat und nicht dazu verdonnert war. Ich kann also nicht sagen, ob das mit Menschen, die solchen Methoden gegenüber weniger aufgeschlossen sind, auch gut klappt. Die Rollenkarten haben zu guten Diskussionen geführt und den frontalen Teil damit immer wieder aufgelockert. Außerdem gab es immer wieder die Chance zu erkennen, dass Urheber:innen legitime Ansprüche haben und es nicht darum geht, Material in der Freizeit zu erstellen und dann zu verschenken. Oder, dass OER und Verlagsprodukte keine Gegensätze sein müssen.

Sharing is Caring

Wer die Rollenkarten nachnutzen möchte, findet sie hier auf Canva zum Download und Anpassen. Es gibt zwei Versionen: alles auf einer Seite oder Profilbild und Texte jeweils auf Vor- oder Rückseite.

Und weil ich schonmal dabei war, gibt es hier auch noch ein paar Reflexionskarten zum Thema OER – ebenfalls auf Canva zum Anpassen und freien Download.