Man weiß ja nie, wie lange sich Beiträge auf anderen Plattformen halten, daher hier eine kurze Zusammenfassung eines Beitrags auf “Politik im Gespräch” ehe es vielleicht irgendwann weg ist. Der Beitrag selbst ist schon ein paar Monate her…
tl;dr
In einem Aufruf der sächsischen Regierung zum Bürgerdialog schlug ich die Stärkung freier Bildungsmaterialien (OER) für sächsische Schulen vor. Laut Bildungsministerin Kurth haben diese aber nicht die erforderliche Qualität.
Hintergrund
Unter dem Titel “Das hätte es früher nicht gegeben… Jugend gestaltet Sachsen!” beantwortete die sächsische Bildungsministerin Brunhild Kurth, Jugendministerin Christine Clauß und weitere MinisterInnen Beiträge von Bürgern mit “Vorschläge[n] und Ideen zu den Themen Ausbildung & Beruf, Familie & Freunde sowie Gesellschaft & Beteiligung”. Ganz 2.0 gibt es sogar ein YouTube-Video mit natürlich und spontan wirkenden Beiträgen von sächsischen Jugendlichen…
[youtube=http://www.youtube.com/watch?v=Vgjow1JFU8A]
Mein Beitrag: Lehrmittelfreiheit als Chance: Freie Lehrmittel nutzen
(Nachzulesen hier, Links wurden von mir für den Beitrag nachträglich gesetzt)
“Die Lehrmittelfreiheit ist prinzipiell eine gute Sache, allerdings hat sie die sächsischen Schulen kalt erwischt: Es fehlten und fehlen Finanzen zur Beschaffung von Lehrbüchern um die Versorgung für das nächste Schuljahr sicherzustellen. In Chemnitz hilft jetzt die Stadt mit 250.000 € aus um das nötigste zu beschaffen. Daneben verhindern die strikten Nutzungseinschränkungen der Schulbuchverlage weitestgehend, kostengünstige Kopien anzufertigen.
Der Einsatz freier Lehrmittel, sogenannter Open Educational Ressources (OERs), würde dieses Problem beheben, da sie von den Lehrenden eingesetzt, kopiert und oft auch verändert werden können ohne dass weitere Lizenzkosten anfallen. Sachsen könnte bei der Bereitstellung und Nutzung ein Vorreiter sein. Sicher steht noch das Problem mit der Erstellung und Beschaffung der OERs im Raum. Die investierten Gelder zur Beschaffung kommerzieller Lehrmittel wären aber ein Anfang und längerfristig besser in Autoren für freie Lehrmittel investiert. Letztere könnte man sicher unter den Lehrenden und Studierenden gewinnen – gerade wenn man bedenkt, wie viele Lehramtsstudierende jedes Jahr keinen Referendarplatz bekommen und deshalb über eine Gelegenheit zur Zwischenfinanzierung dankbar wären.”
Die Anfrage erhielt Zuspruch und in dem (eher wenig dialogorientiertem Forum) sogar einen Kommentar und schließlich sogar eine Antwort von Frau Kurth (Hervorhebungen von mir):
Sehr geehrte/r »alorenz«,
vielen Dank für Ihren Vorschlag. Sie haben Recht: es kostet viel Geld und Zeit, um Lehrbücher und Unterrichtsmaterialien durch einen Schulbuchverlag zu erstellen. Dafür haben diese Lernmittel einen hohen Qualitätsanspruch. Um sicher zu sein, dass jedes Schulbuch in Sachsen tatsächlich diesen Anspruch erfüllt, gibt es ein spezielles Verfahren: die Schulbuchzulassung (http://www.schule.sachsen.de/104.htm). So wird die Qualität der Lehrbücher mit Blick auf die Lehrpläne in Sachsen geprüft.
Auf diesem hohen Niveau lassen sich Lehrbücher leider nicht flächendeckend durch (kosten)freie Materialien ersetzen. Dort, wo die Qualität gegeben ist, sollten aber freie Angebote genutzt werden. Dafür haben sächsische Lehrerinnen und Lehrer mehrere Quellen:
- Das Sächsische Bildungsinstitut stellt kostenfreie Materialien in der Lernaufgabendatenbank zur Verfügung (http://www.bildung.sachsen.de/lernaufgaben).
- Viele Handreichungen für sächsische Lehrerinnen und Lehrer enthalten auch kostenfreies Material.
- Auch Verlage bieten kostenfreie Materialien an, aktuell zum Beispiel Unterrichtsmaterialien zum Thema »Medienkunde« ab Klasse 9 von »Zeit online« (http://www.zeit.de/angebote/schule/index).
Mit freundlichen Grüßen
Brunhild Kurth, Staatsministerin für Kultus
(Bild: Sächsischen Bildungsministerin Brunhild Kurth, Quelle: Pressefotos des Ministeriums)
Meine Enttäuschung zu der Antwort brauche ich wohl nicht weiter ausführen. Am Stammtisch würde ich mir jetzt überlegen, wie ich eine Brücke vom polnischen Vorbild zu den Sachsen mittels August dem Starken, der ja König von beidem war, schlagen könnte, aber mir bleibt da jegliche Pointe im Hals stecken.
Weitere Beiträge zum Thema
Nicht nur mein Beitrag wurde beantwortet, hier eine Auswahl der anderen Ideen und Antworten:
- Geld für Bildung in Sachsen, gegen Unterrichtsausfall: Hier ging es Elternvertretern vor allem darum, weitere Lehrer zur Absicherung des Unterrichts einzustellen. Die Antwort von Frau Kurth: “[…] auch Lehrer werden mal krank, sind bei Fortbildungen, Klassenfahrten und Exkursionen. Schule ohne Unterrichtsausfall wird es nicht geben. […]” Status: Der “Beitrag enthält keinen umzusetzenden Vorschlag.”
- Mehr Gehör den SchülerInnen – die Schulexperten Nr.1!: Eine Schülerin der 11. Klasse berichtet von 15% Unterrichtsausfall in den ersten 4 Schulwochen und den Gründen dafür. In einem zweiten Abschnitt bemängelt sie die Partizipationsmöglichkeiten der Schüler und Schülerinnen. Frau Kurth freut sich in Ihrer Antwort über das Interesse der Schülerin und nennt weitere Aktionen zum Austausch von Jugendlichen und Politikern. Kein Kommentar zum Unterrichtsausfall. Status: Der “Beitrag enthält keinen umzusetzenden Vorschlag.”
- Lehrer aus anderen Bundesländern: Lehrer aus anderen Bundesländern müssen ihren Beamtenstatus aufgeben, wenn sie nach Sachsen kommen. Und wer will das schon. Status: Der “Beitrag enthält keinen umzusetzenden Vorschlag.”
- Bildung in Sachsen=Verschwenung Teil 1, 2 und 3: Die Beitrag greifen (vielleicht etwas zu plakativ) die Probleme des förderalistischen Bildungssystems und die Nachteile in einem ostdeutschen Bundesland auf. Interessanter sind Ausschnitte aus den Antworten: “[…] Im Übrigen gibt es auch keinen wissenschaftlichen Beweis dafür, dass das gemeinsame Lernen aller Schüler auf einer Schule die Leistungen verbessert. [… dann aber ist man stolz auf:] Knapp ein Viertel aller Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in Sachsen integrativ unterrichtet. […] Es ist Pflichtaufgabe der Kommunen, die Schulgebäude mit den notwendigen Lern- und Lehrmitteln auszustatten und die Schulen zu renovieren […]” Status: Der “Beitrag enthält keinen umzusetzenden Vorschlag.”
- Lehrermangel? – habe aber wieder keine Stelle bekommen!: Eine Deutschlehrerin hat trotz Grund- und Förderschuleignung keine Stelle bekommen. Status: Der “Beitrag enthält keinen umzusetzenden Vorschlag.”
- Lehrermangel – ein unlösbares Problem?!: Eine Lehramtsstudentin äußert Unsicherheiten bezüglich ihrer beruflichen Chancen in Sachsen. In der Antwort von Frau Kurth heißt es zur Lehrerstellenplanung, es sei “nicht möglich, alle Veränderungen der Schülerzahlen und der Schülerströme bei der Personalaufstellung exakt vorherzusehen. […] Auch Langzeiterkrankungen von Lehrern und ein vorgezogener Renteneintritt sind nicht vorhersehbar.” Die fehlenden Anreize durch Verbeamtung und höhere Gehälter relativiert Frau Kurth durch “Prämien für Lehrer, die bereit sind, aufs Land zu ziehen, Kita-Plätze oder günstiger Wohnraum für junge Lehrerfamilien.” Status: Der “Beitrag enthält keinen umzusetzenden Vorschlag.”
Eine Vielzahl der Beiträge beschäftigt sich mit Lehrerperspektiven in Sachsen oder schlechte Voraussetzungen an Schulen, die meiner Meinung nach nicht wirklich beantwortet werden. Ich habe auch noch keinen Beitrag mit dem Vermerk gesehen, dass er einen umzusetzenden Vorschlag enthalten würde.
Beitragsbild: Open Access Week 2013 by SLUB Dresden (CC BY)
16. Dezember 2012 um 12:04 Uhr
Schöne Initiative, aber leider will oder kann die Politik nicht verstehen, worum es bei OER eigentlich geht:
Qualität ist wichtig, aber OER stehen dem nicht per se im Widerspruch wie immer wieder behauptet wird (wo gibt es dazu eigentlich Belege?), sondern es ist genau andersrum. OER fördert digitale Medienkompetenz und lernt Qualität überhaupt erst richtig einzuschätzen. Aber die BildungspolitikerInnen packen die SchülerInnen lieber in die weiche Watte der staatlich geprüften Schulbüchern und schützen Sie vor der bösen Welt des WWW.
Kostenfreie Angebote gibt es, aber diese Treffen nicht den Kern von OER. Das fängt doch schon beim Beispiel der Ministerin an. Geht man nämlich auf die von ihr erwähnte Seite http://www.bildung.sachsen.de/lernaufgaben/, dann steht unten gleich der Hinweis “Der Zugriff auf die Lernaufgaben ist nur für registrierte Benutzer zugelassen. ” Freie Angebote im Sinne von Open Access sehen anders aus….
16. Dezember 2012 um 13:26 Uhr
Klassisches S-Kurven-Problem, oder? Die Leistungsfähigkeit des “Alten”, in das schon viel Entwicklungsarbeit geflossen ist, wird mit den Unzulänglichkeiten des “Neuen” verglichen, das sein volles Potenzial möglicherweise noch gar nicht entfalten konnte.
29. Dezember 2012 um 1:58 Uhr
Danke für Ihre/Eure Antworten. Schön zu sehen, dass man mit seinen Eindrücken nicht allein dasteht. Ich finde es nur schade, dass derartige Vorschläge, die (zumindest mir) doch relativ einleuchtend erscheinen, einfach so und ohne dass ich weitere Rückmeldemöglichkeiten gehabt hätte, abgeschmettert werden. Hier (und nicht nur hier) läuft einiges schief.
29. Dezember 2012 um 15:23 Uhr
Welchen Modus würdest du vorschlagen? Was hättest du dir gewünscht?
29. Dezember 2012 um 23:31 Uhr
Zunächst einmal eine Antwortmöglichkeit. Qualitätssicherung und OER stehen nicht im Widerspruch. Ebenso ist es etwas anderes, darauf zu verweisen, dass einiges den Lehrern in Sachsen schon frei zur Verfügung steht und andererseits mit einer breit angelegten Initiative damit die nun für die Schulen kostenpflichtigen Lehrmittel zu ersetzen. Es geht nicht darum, dass OER von den Lehrern zusätzlich nutzbar zu machen – das ist schon jetzt möglich. Aber von oben getrieben die immensen Mehrkosten durch die Lehrmittelfreiheit abzufedern (in Chemnitz sind es wie gesagt 250 T€), das erfordert eine zentrale Initiative, das können auch engagierte Lehrer derzeit nicht (allein) stemmen.
Ich habe insgesamt das Gefühl, die Antwort wollte nur sagen “aber es gibt doch gar keine Probleme, wir machen bisher schon alles richtig”. Die Antwort wollte sich aber nicht ernsthaft mit den Problemen der Schulen beschäftigen. Wie schon bei der Pressemeldung des Ministeriums damals zu Lehrmittelfreiheit, dass die Schulen das eben tragen sollen (http://www.freiepresse.de/NACHRICHTEN/SACHSEN/Ministerium-Schulen-sollen-Kosten-fuer-Arbeitshefte-uebernehmen-artikel8037476.php). Das hilft nicht weiter, auch wenn es für die Eltern (=Wähler) den Eindruck erweckt, als hätte sich das Ministerium für deren Interessen eingesetzt. Es hat aber nur delegiert, ohne Mittel freizugeben.
30. Dezember 2012 um 12:14 Uhr
Qualität und OER stehen nicht im Widerspruch (vgl. zur ähnlichen Diskussion zu Open Access auch http://www.olivertacke.de/2010/06/17/qualitat-hat-ihren-preis-oder-doch-nicht/ oder http://www.olivertacke.de/2011/09/27/open-access-passt-zu-unserer-philosophie/). Da sind wir uns sicher einig.
Ich habe deshalb gefragt, weil ich ebenfalls von den Antworten enttäuscht bin, die aus der Politik kommen. Zur letzten Bundestagswahl muss es gewesen sein, als ich die lokalen Kandidaten auf abgeordnetenwatch etwas gefragt hatte. Um was es ging, weiß ich gar nicht mehr, ich wollte jedenfalls ihre PERSÖNLICHE Meinung wissen. Vom CDU-Kandidaten kam dann zunächst nur der Hinweis, er antworte nicht öffentlich – ich könne ihn gerne besuchen oder ihm direkt schreiben. Letzteres habe ich dann gemacht. Und was habe ich bekommen? Eine minimal angepasste Version der Parteiaussage auf Bundesebene. Na dankeschön.
‘Ich habe insgesamt das Gefühl, die Antwort wollte nur sagen “aber es gibt doch gar keine Probleme, wir machen bisher schon alles richtig”’
Den Eindruck habe ich auch oft. Fehler oder Irrtümer eingestehen zu können, sich eine Blöße zu geben, scheint einfach in vielen Kreisen ein Unding zu sein.
Ich bin mir bloß nicht schlüssig, wie sich an der Situation etwas ändern könnte.
25. Mai 2013 um 13:47 Uhr
Dieser sogenannte Dialog des Freistaats ist doch nur eine PR-Kampagne. Da darf man sich nicht so viel davon erhoffen.
Ich finde es dennoch gut, dass du hier einen Vorstoß unternommen hast. Konservativen, markwirtschaftlich geprägten Politikern das Konzept der Openess zu erklären, ist ein schwieriges Unterfangen. Vielleicht sollte einfach mal aus einer Universität heraus ein freies Lehrbuch konzipieren, schreiben und bewerben. Wenn sich Lehrer von der Qualität überzeugen lassen, würde es einfacher, weitere Bücher zu entwickeln.
–niels
25. Mai 2013 um 14:10 Uhr
Erste Projekte wie L3T gibt es schon, oftmals reicht die Sichtweite der Politiker aber leider nicht so weit. Schulbuchverlage schreiben dagegen bestimmt noch Briefe ans Kultusministerium.