Zurück vom EduCamp in Köln (#ecco12) mit vielen neuen Ideen und Anregungen. Dass ich und was ich daran toll fand, brauche ich hier nicht nochmal aufzurollen (habe ich an anderen Stellen schon mehrfach getan), sondern ich will gleich in die aktuelle Diskussion einsteigen, die mich weiterhin beschäftigt: Wie werden OER finanziert?
Kurz zum Hintergrund
Auf dem #ecco12 gab es regelrechte OER-Tracks. Da wurde diskutiert, welche Veränderungen OER mit sich bringen, ein sich noch im Erstellungsprozess befindendes Whitepaper wurde besprochen, die Aufbereitung von OER sowie Best Practice u.v.m. waren Thema. Gerade die Lizenzierung von OER war sehr spannend, da wir hier keine “bessere” als die CC-BY-Lizenz finden konnten, um OER zu veröffentlichen (besser hieße dabei, dass der Autorenname nicht mit genannt werden muss, wie bei CC-0, die aber nach deutschem Recht bestätigt ist). Bei der Definition von OER, die bspw. für das Whitepaper besprochen wurden, war die Beschaffenheit der Bestandteile Educational und Ressource umstritten, das Open schien aber allen klar: kostenfreie Nutzung, also möglichst eine der CC-Lizenzen. Zur Diskussion Erstellungskosten kam es in diesem Kontext nicht (war auch von den Sessions auch nicht vorgesehen), aber im Nachhinein über Twitter diskutiert.
Die Diskussion
Die Twitter-Diskussion habe ich mit Storify zusammengefasst. Im Wesentlichen fanden sich zwei Meinungen:
- Die einen sahen einen Widerspruch zwischen freien Lernressourcen und deren Finanzierung und ob die Finanzierbarkeit überhaupt ein Thema sein dürfe: OER wären eine Einstellung und kein Geschäftsmodell.
- Auf der anderen Seite stand die Meinung, dass es nicht um den großen Reibach, sondern schlichtweg um die Finanzierbarkeit von OER ginge, denn auch Autoren müssen essen und wohnen.
Der letzten Fraktion gehöre ich an und möchte die Gedanken an dieser Stelle etwas weiterspinnen.
Meine Sicht
Die Erstellung von OER geschieht nicht ohne Kosten. Zwar verlangen die Autoren dafür (zumindest bisher) kein Geld, investieren aber mindestens Zeit, um die Lernmaterialien zu erstellen. Hinzukommen können Kosten für die Tools, zur Verbreitung und Überarbeitung etc. Die Autoren von OER finden zur Finanzierung dieser Kosten verschiedene Wege. Zum Teil erstellen sie OER in ihrer Arbeitszeit. Hierzu gehören Lehrer, Dozenten an Hochschulen für Weiterbildungseinrichtungen, die Arbeitsmaterialien für ihren Unterricht erstellen. Die Veröffentlichung ist dann “nur noch” ein Add-On (das ich hier nicht kleinreden will). Diese mehr oder weniger indirekte Finanzierung darf nicht ignoriert werden, denn sie ermöglicht die Erstellung von OER. Fällt sie weg, würde wohl kaum einer der Autoren weiterhin OER erstellen, denn dann müsste er sich stattdessen um eine andere Finanzierung seines Lebensunterhalts kümmern.
Ich finde es daher durchaus legitim, auch über die Finanzierung von OER zu sprechen, wenn wir hier weiterkommen wollen. Zurzeit sind OER von (mehr oder weniger begabten) Laien erstellt, die sich die benötigten Fähigkeiten zum Einsatz ihrer Autorenwerkzeuge oft autodidaktisch erarbeitet haben. Wollen wir langfristig die Qualität und Durchsetzung von OER vorantreiben, werden wir um eine Professionalisierung der Erstellung nicht drum herumkommen – und professionelle oder professionalisierte Autoren brauchen eine solide Finanzierung.
Ein Vergleich
Beim Schreiben des letzten Absatzes kam mir die Idee, die Problematik mit der Kunst zu vergleichen, also hier ein (vielleicht dilettantischer) Vergleich:
- Auftragswerke: Eine der ältesten Formen der Finanzierung sind Auftragswerke. Jemand hat eine Vorstellung von dem Ergebnis (oder möchte einfach ein Kunstwerk eines bestimmten Autors haben) und legt vorher Rahmen und Preis fest. Im Lernmaterialkontext findet sich hier die klassische Lehrbucherstellung wieder, im Fall von OER würde man das Kunstwerk (bspw. eine Skulptur) dann in die freie Natur stellen, wo es alle sehen können.
- Galerieverkauf: Der Künstler erstellt sein Werk und stellt es aus, das Ergebnis kann dann erworben werden, wenn man weiß was es ist. Der Vergleich zu Lernmaterialien ist hier die Entscheidung für ein fertiges Lehrbuch. Im OER-Kontext hinkt der Vergleich wegen der Kopierbarkeit der Ressourcen, aber der Kauf der Buchversion (Papier und so), obwohl die digitale OpenAccess-Variante existiert kann ein wenig hierzu gezählt werden.
- Straßenkunst: Mehr oder weniger talentierte Künstler “machen erst einmal” und hoffen auf eine Spende in ihren Hut. Bei OER bestünde eine Möglichkeit in der nachträglichen Finanzierung, wenn man Spendensysteme wie PayPal oder Flattr heranzieht (hat aber bei L3T nicht so wahnsinnig viel gebracht).
- Brotlose Kunst: Graphity-Sprayer, Videokünstler auf YouTube, Fotografen auf Flickr. All diese “Künstler” sind mehr oder weniger professionell, veröffentlichen ihre Kunst, müssen aber ihr Einkommen auf anderen Wegen sichern. Ihre Sichtbarkeit ist dafür umso höher, weil der Zugang zur Kunst quasi schrankenlos möglich ist.
Bei der derzeitigen OER-Diskussion befinden wir uns bei den meisten Projekten in der letzten Kategorie. Versuche in den anderen wurden gemacht, führten aber in der Regel nicht zum Erfolg. Nun ist die Frage: Wie stehen wir zu unseren OER-Künstlern?
… und nur, damit das klar ist …
Danke liebe brotlose Künstler, die Ihr uns schon jetzt den Zugang zu großen Werken ermöglicht!
21. März 2012 um 7:53 Uhr
Natürlich wäre es schön, wenn man als OER-Autor nicht auf seinen Kosten sitzen bliebe. Nur frage ich mich, wie die Finanzierung aussehen soll? Bekannte Bezahlkonzepte für Unterrichtsmaterialien scheiden per se aus, denn das Material soll ja frei sein. Freiwillige Abgaben auf Basis von Flattr, Paypal oder Fördermitgliedschaften in OER-Vereinen dürften wohl maximal dazu geeignet sein, die Server- und Bereitstellungskosten zu decken. Viele Lehrer sind eben doch von Stamme Nimm.
Ich stimme zu, dass man für OER im weitesten Sinne professionelle Autoren braucht, denn OER wird sich immer mit den Kaufprodukten der Verlage messen lassen müssen. Aber auch der Laien-Bereich ist durchaus im Stande, dies zu leisten. Das klappt ja auch in anderen Lebensbereichen, z.B. bei Opensource-Software.
Vor der Frage der Finanzierbarkeit sollte man erst einmal damit beginnen, vorhandene, kostenlose Potentiale zu bündeln und sehen, was draus wird. Vielleicht ergeben sich ja dann Möglichkeiten, wie man auch professionelle Autoren mit ins Boot holen kann, sei es durch Förderung aus öffentlichen Geldern oder Förderung aus der privaten Wirtschaft.