Die Idee zu diesem Blogbeitrag ist schon ein paar Wochen alt, aber das Problem ist noch immer das gleiche: Das Internet und das aktuelle Urheberrecht haben irgendwie ein Problem miteinander.

tl; dr

Jan Böhmermann hat ein Bild getwittert und wurde dafür abgemahnt. Soweit, so gewöhnlich im Alltag der Urheberrechtsverletzungen. Aber was sagt das über die Medienkompetenzen der Gesellschaft aus, wenn eine eigentlich (so dachte ich) internetaffine Person wie Jahn Böhmermann nicht wusste, dass man nicht einfach ein Foto aus der Bildersuche verwenden darf, weil man dann Fotografen, Malern, Comiczeichnern etc. die Grundlage für ihren Broterwerb nimmt? Oder gibt es kein Unrecht ohne fehlendes Unrechtsbewusstsein?

Der Fall Böhmermann

Ich will es nur kurz beschreiben, gute und ausfühliche Erklärungen dazu findet man u.a. auf netzpolitik, fotomagazin, der taz oder der Süddeutschen:

Der Moderator und auf Twitter viel beachtete Grimmepreisträger Jan Böhmermann wurde von den Anwälten des Fotografen Martin Langer zu einer Zahlung von reichlich 900€ abgemahnt, weil er ein Foto getwittert hatte und damit das Urheberrecht des Fotografen verletzte. Das passiert häufig in verschiedenen Kontexten und Größenordnungen. Und schnell ertappt man sich dabei, auf die bösen Abmahnanwälte und geldgierigen Fotografen zu schimpfen, die mit ihren Schnappschüssen vielleicht einfach nur Glück hatten.

Na und? Wo ist denn das Problem?

Die Darstellung des abgemahnten Fotografen Langer lässt mich hier aber schnell umdenken (wer den Beitrag noch nicht gelesen hat, sollte das unbedingt tun!): Das Internet bietet schließlich auch Kreativen, Kunstschaffenden und Autoren (= alle drei Urheber) die Chance, unabhängig von der Verlagsindustrie ihre Miete zu verdienen (mal mehr, mal weniger). Webcomiczeichner, wie Joscha Sauer, Flix oder Ralf Ruthe zeigen das sehr eindrücklich und nachvollziehbar.

Neben dem Shitstorm war es aber vor allem folgender Aspekt der Story, der mich zu diesem Beitrag motivierte: Während wir Studenten und Kollegen in Seminaren und Weiterbildungen stetig eintrichtern, dass man nicht jedes Bild verwenden darf, das man im Internet findet, warum weiß das ein medienkundiger Mensch wie Jan Böhmermann nicht? Ich bin mir sicher, dass er es nicht mutwillig getan hat, wie man eben mal zu schnell fährt und hofft, nicht geblitzt zu werden.

Das Problem liegt doch vielmehr darin, dass das aktuelle Urheberrecht überhaupt nicht das natürlichen oder anerzogenen Unrechtsbewusstsein anspricht. Dazu ein Vergleich…

Ein Vergleich: Der Apfel

Wenn ein Apfel an einem Baum mitten im Nirgendwo (= öffentlichem Grund) hängt, dann kann man den essen. Ebenso, wie man Heidelbeeren und Pilze sammeln geht, ohne dafür einen Cent auf den Teller vor dem Wald zu hinterlassen. Befinden sich Apfel, Heidelbeeren oder die Pilze in einem Supermarkt, dann weiß man von Mutti oder Vati, dass man erst dafür bezahlen muss. Auch bei Gärten oder Plantagen ist uns klar, dass die Äpfel nicht uns gehören. Und auch, wenn wir uns vielleicht doch einmal dazu hinreißen lassen, über den Zaun zu greifen, wissen wir doch, dass das geklaut und eigentlich nicht erlaubt ist.

Im Internet ist das ein wenig undurchsichtig: da stehen auch Äpfel (= Fotos etc.) irgendwo rum. Da ist kein Zaun, kein Hinweisschild, dass es irgend jemandem gehört. Klar, es ist nicht von allein dorthin gekommen, aber hey, es gibt so viele Sachen in diesem Internet, die man einfach für lau haben kann. Kein Zaun, kein Schild, keine Supermarktkasse: 3, 2, 1… meins!

Denkste! Gehört doch wem! Du hast geklaut! Zahl dafür! Oder noch viermal singen. Das klingt nicht fair. Aber was wäre richtig?

Fazit: Es gibt zwei Alternativen, die Lösung liegt sicher irgendwo in der Mitte

Mich juckt es ja fast schon, ein Experiment in der Fußgängerzone zu machen: ein Tisch, Äpfel drauf ohne weiteren Hinweis und schauen, was passiert. Werden Personen die Äpfel mitnehmen? Ich denke schon. Aus meiner Sicht gibt es zwei Möglichkeiten, dieses Problem anzugehen:

  1. Wenn es sich nicht wie Unrecht anfühlt, dann ist es vielleicht keins. Jeder, der Inhalte unfrei ins Netz stellt, muss einen Zaun bauen, ein Schild aufstellen…, d.h. wenigstens seinen Namen dran schreiben.
  2. Wie im Supermarkt müssen wir auch im Internet lernen, dass hier vielleicht vieles, aber nicht alles kostenlos ist und dass man fragen muss, ehe man sich etwas einfach “wegnimmt” (wobei hier der Vergleich hinkt: Den Apfel, den ich mir aus dem Internet nehme, gibt es dann in diesem Regal immer noch, auch wenn ich ihn jetzt habe).

Richtigerweise setzen wir bei letzterem an, aber noch nicht konsequent genug, wie sich im “Fall Böhmermann” (tamm, tamm, tamm) zeigt. Müssen wir auch erstere Alternative angehen? Ich bin mir ehrlich gesagt nicht sicher, aber  wenigstens in den Metadaten wäre die Angaben zur Autorenschaft nur wenig störend und vielleicht ein guter Anfang. Oder?

Beitragsbild: Portland Farmers’ Market by Mack Male (CC BY-SA)