“Ich habe Podcasts für mich entdeckt und bin total begeistert!!!”

Eigentlich hätte dieser Satz schon vor über 10 Jahren von mir kommen können, denn Podcasts sind keineswegs neu (auch wenn sie als eine klassische Spielart des Web 2.0 gern weiterhin gern unter dem Begriff “neue Medien” genannt werden). Aber ich hatte bisher weder die passende Gelegenheit noch die Infrastruktur dafür. Jetzt ist mein Arbeitsweg gut 20min lang, es gibt nichts Schlimmeres als Morgenradio und vor allem: mein neues Auto hat Bluetooth!

tl;dr

Mit der richtigen Infrastruktur, d.h. vor allem App und geeignete Podcast-hör-Momente, bin ich in sehr kurzer Zeit zum Power-Podcast-Hörer geworden. Die Vielfalt und wahnsinnig gute Qualität der Angebote ist so gigantisch, dass ich bereits wieder mit schwerem Herzen anfangen muss, einige Kanäle auszusortieren.

Podcast im Auto

Die Infrastruktur

Wie oben geschrieben: Der Anlass für mich war das Auto, mit dem ich nun Medien über die Lautsprecher streamen konnte. Aber natürlich können Podcasts auch über einfache Lautsprecher oder Kopfhörer ausgegeben werden. Ich glaube aber, dass es wichtiger ist, die richtige Zeit zum Hören von Podcasts zu finden: auf dem Weg zur Arbeit, in der Bahn auf Dienstreisen und ja, dank Podcasts wird meine Badewanne nicht mehr nur zum Duschen verwendet (dafür habe ich kleine Lautsprecher mit Klinkenstecker im Bad).

Um “ernsthaft” Podcasts hören zu können braucht man eine App. Diese sollte

  • über eine Funktion zum Suchen und RSS-Import von Podcasts verfügen (damit man die Kanäle auch abonnieren kann) und so auch
  • anzeigen, wenn es neue Folgen gibt, sowie
  • den Download von Folgen ermöglichen (wie soll man sonst Podcasts in der Bahn hören?). Für vergessliche Menschen wie mich sollte die App heruntergeladene und schon gehörte Folgen markieren.
  • Wenn man wie ich vor allem im Auto Podcasts hört, ist ein Car Mode auch gut, d.h. der Podcast stoppt, wenn Anrufe oder die Staumeldungen reinkommen, und kann danach fortgesetzt werden.

Ich selbst verwende Podkicker und bin damit zufrieden, wobei ich zugeben muss, dass ich hier nicht viel experimentiert und verglichen habe. Vielleicht stört mich irgendwann, dass ich keinen Account habe, d.h. nicht über Geräte hinaus gespeichert wird, was ich schon gehört habe. Vielleicht wäre eine Navigation über die Kapitelmarken noch gut, aber ich habe diese Funktionen im Alltag bisher noch nicht vermisst.

Was höre ich denn jetzt?

Errinnert Euch an den Moment, an dem Ihr Euern (ersten) Twitter-Account angelegt habt, und Euch dann gefragt habt: und jetzt? Wem soll ich folgen? Genau so ging es mir bei Podcasts. Aber ich hatte ja Twitter 🙂

Ich bekam einige Tipps und da galt es: einfach mal Abonnieren und Ausprobieren, irgendwann findet man ein gutes Angebot nach dem nächsten, z.B. auf Seiten wie dieser, auf der Menschen schreiben, welche Podcasts sie gern hören :). Und wie bei Twitterern ist zwischen “Boring” und “gib mir die nächste Folge” alles dabei.

Sehr regelmäßig höre ich:

  • Methodisch Inkorrekt. Die beiden Physiker Nicolas Wöhrl und Reinhard*t Remscheit*d*ford machen alle 2 Wochen den Wissenschaftskommunikatoren vor, wie ihr Job funktioniert. Neben dem unterhaltsamen (weil oft leider wahren) Gejammer aus dem Hochschulalltag nehmen sie sich 4 Paper aus verschiedenen Forschungsbereichen vor, die sie so erklären, dass sogar ich sie verstehe. Und wenn man denkt, Podcasts seien Nischenmedien, kann bei ihrer “Wissenschaftsgala” beim 32C3 ja mal die Zuschauen zählen oder die Abonnenten ihres YouTube-Kanals anschauen (immerhin halb so viel wie oncampus und das für ein paar Videos zu Experimenten, die man ohne die Podcasts oft nicht versteht…)
  • Sanft und Sorgfältig. Jan Böhmermann und Olli Schulz haben jeden Sonntag eine Radiosendung auf Radio Eins, die man nicht in seinen Terminplan eintragen braucht, sondern einfach als Podcast hören kann. Es geht um alles und nichts.
  • Aufwachen. Tilo Jung (ja, der von der Bundespressekonferenz auf YouTube) und Stefan Schulz (der so cool ist, dass ich mich schäme, nicht mehr von ihm zu kennen) schauen einmal die Woche Nachrichten und ordnen die dort dargestellte Welt nochmal in die ein, die wir so gern vergessen. Ich höre gerade erst die dritte Folge, war aber sehr schnell vom Sendekonzept überzeugt.
  • Der Benecke. Radio Eins stellt jeden Samstag eine meist skurrile Frage aus der aktuellen Forschung an Dr. Mark Benecke, der (natürlich gut vorbereitet) das Phänomen auf einfache Art und Weise erklärt. Benecke ist mit Sicherheit einer der (Natur-)Talente der Wissenschaftskommunikation und stellt das in diesem wöchentlichen kurzen Podcast konstant gut unter Beweis.

Einige Podcasts erscheinen nur unregelmäßig, einige höre ich nur dann, wenn ich längere Fahrten vor mir habe:

Allgemein beobachte ich an mir, dass ich gern Podcasts aus dem Wissenschaftsbereich höre, aber lieber nicht allzu nah an meiner eigenen Disziplin – vielleicht weil ich es sonst ständig bewerte und versuche, in meine eigene Arbeit einzuordnen. Ab und an teste ich auch andere Podcasts, aber zunehmend habe ich das Problem, dass ich mit meinen Favoriten kaum hinterher komme.

Die Qual der guten Auswahl

Nachdem ich gelernt habe, wann für mich der richtige Zeitpunkt ist, eine Folge abzubrechen, weil sie doch nicht so interessant ist (es ist der Moment, in dem man bemerkt, dass es langweilig ist plus maximal 3min um zu schauen, ob es besser wird), habe ich langsam einen “festen Hörplan”. Weil es aber eine ganze Reihe interessanter Podcasts gibt, bekomme ich langsam Probleme, alles zu hören.

Rechnen wir nach: Wenn ich jeweils 20min bis zur Arbeit habe, dann sind das 3:20h in der Woche. Wöchentlich erscheinen der Aufwachen-Podcast und Böhmermann und Schulz mit jeweils etwa 1:30h. Methodisch Inkorrekt erscheint alle 2 Wochen, ist dann aber mindestens 2, manchmal 3h lang. Aber so halte ich mittlerweile gern an hellroten Ampeln 🙂

Fazit: eine neue Medienwelt in unglaublich großer Vielfalt

Nach einem so langem Dasein von Podcasts bin ich nun also auch regelmäßiger Hörer und immer noch begeistert wegen der vielen wirklich hochwertigen und kreativen Formate, die im Radio tatsächlich wohl nicht funktionieren würden.

Hat man diese Tür nach Narnia einmal aufgestoßen, stellt man fest, dass hier schon eine große Community ist, die Ihre Helden via Flattr, Paypal, Amazon Affiliate Link o.ä. auch nicht selten honorieren. Ich muss mich wohl damit abfinden, dass ich Podcast nicht schon entdeckt habe, als sie noch in kleinen Klubs spielten. Dennoch definieren sich Podcasthörer scheinbar gern über diese Nische, es scheint immer noch eine Art Geheimverein zu sein, in dem ich jetzt Mitglied bin.