Mein Kollege Andreas Wittke hat einen sehr guten und daher zurecht gelobten Blogartikel zur OER-Strategie der Fachhochschule Lübeck geschrieben. Den kann man sich ruhig mal durchlesen (wenigstens bis zur Zusammenfassung), widersprechen muss ich ihm aber bei folgender Aussage:

“[…] Das Märchen vom Remix

Ich sage es einfach mal ganz simpel: Es gibt keine Remix-Kultur. Alle Remixes, die es da draussen gibt, sind kleine Ausnahmen, die sehr gerne bei Vorträgen einmal erwähnt werden, aber in der Praxis keinerlei Bedeutung haben. Wir haben bei 400.000 Klicks und ca. 150 Videos einen Remix, von dem wir wissen. […]”

tl;dr

Mag sein, dass sich die “echten” digitalen Remixe derzeit noch in Grenzen halten. Aber ebenso, wie Schreibmaschine Schreiben eine ganze Weile denen vorbehalten war, die eine Ausbildung darin hatten, wird mit kostengünstigeren und – viel wichtiger – leichter bedienbaren Tools eine Menge Potential frei. Erste Ansätze finden sich schon jetzt.

Kopieren, Covern, Remixen

Das Kopieren, Nachahmen, Abwandeln oder ganz und gar neu Zusammenstellen von Werken ist keine neue Kulturtechnik, sondern genau genommen schon ewig ein Weg um zu lernen, sich weiter zu entwickeln und sogar den ursprünglichen Schöpfer zu verehren. Nicht nur in der Malerei, auch in der Musik tragen Coverversionen und Tribute-Alben dazu bei, ohnehin schon gute Klassiker ein technisches und stilistisches “Update” zu verpassen. Und während auch in diesem Jahr die neueste und natürlich bezauberndste Cinderella-Neuverfilmung aller Zeiten erscheint, hat der schweizer Künstler Ursus Wehrli seinen eigenen Weg gefunden, ausgehend von alten Werken neue zu schaffen (sehr sympatisch vorgestellt beispielsweise im TED-Talk, wer nur kurz reinschauen will: bei Minute 3:56 ist ein Beispiel, das alles erläutern dürfte).

Aber schon beim letzten Beispiel bin ich an das Dilemma der heutigen Zeit gestoßen: ich fand bei Flickr und über die Google-Bildersuche keine frei lizensierten Bilder. Im TED-Talk wird davon berichtet, Wehrli habe seine Art, Bilder neu zu ordnen, patentieren lassen (Funfact: auf den Seiten des Berner Amts für geistiges Eigentum findet sich dazu nichts. Liegt es an der Information selbst oder am Digitalisierungsgrad des Amtes?). Um es direkt zu sagen: jemand, der selbst auf dem Bekanntheitsgrad der Werke setzt, die er da neu umsortiert, hat davon selbst keine Bilder zur Weiterverwendung im Netz und erlaubt auch niemand anderem, es ihm gleich zu tun. Das soll kein Vorwurf sein – Wehrli handelt hier schlichtweg im Rahmen der aktuellen Gesetzgebung und daraus resultierenden Geschäftsmodellen. Ein fader Beigeschmack bleibt dennoch. Es gibt Bewegungen, die Remixen als generelles Recht für Kunstschaffende einfordern, denn nur so kann sich die Remix-Kultur auch im Digitalen fortsetzen.

Neben den rechtlichen Voraussetzungen und die Aufklärung darüber, was erlaubt ist und was nicht, sind es aber auch technische Barrieren, die das Remixen erschweren. Videos, wie die OER-YouTube-Clips der Fachhochschule Lübeck, müssten für einen Remix geschnitten, mit anderen Videos oder Medien zusammengeführt werden…

Re-Authoring-Tools

Um das Remixen zu erleichtern bzw. für einige Nutzer überhaupt erst zu ermöglichen braucht es Tools, die einfach zu bedienen sind – Stichwort Usability. Und hier ist noch eine Menge Luft nach oben. Medien hochladen ist kein Problem mehr (auch das war Menschen lange Zeit verwehrt, die nicht wussten, was ein FTP-Server ist), auch das Teilen von Web-Fundstücken ist kinderleicht. Aber remixen? Hier gibt es nur einige, oft wenig bekannte Webtools. Eine kleine Auswahl an Leuchttürmen gibt es aber doch. Dabei erhebe ich bei dem nachfolgend genannten Beispielen keinen Anspruch auf Vollständigkeit – im Gegenteil hoffe ich, dass sich die Tools vermehren und das Remixen in die breite Nutzermasse tragen.

Meme-Generatoren

Bild aussuchen, Spruch eintippseln, Meme generieren und teilen. Es ist einfach, es geht schnell. Bitte mehr davon!

Sollte Digitalisierung ein Fehler in der Remix-Kultur sein?

Man muss hierbei natürlich einschränken: in Deutschland wäre das sicher nah oder mittendrin in der Urheberrechtsverletzung, wenn Bilder aus Filmen einfach genutzt werden würden. Aber wenn alles nach deutschem Recht gehen würde… Umso mehr ist das nächste Tool ein ECHTES Juwel.

Spruce [Update: leider offline]

Der Webdienst Spruce sucht in CC-BY-lizensierten Bildern auf Flickr, versieht sie mit Autorenangaben und verbindet sie mit einem Text, der vom Nutzer eingegeben werden kann. Schnell erstellt und dann über Twitter oder Facebook geteilt. Das Tool hat es in meine Lesezeichenleiste geschafft.

Pop Up Cranach

So, genau so stelle ich mir ein Tool zum Remixen von Kunst im digitalen Zeitalter vor. Mit Pop Up Cranach können Elemente aus Cranachgemälden miteinander kombiniert werden. Cranach alt wie jung sind lange genug tot, sodass beim Veröffentlichen der Ergebnisse kein Anwalt vor der Tür stehen sollte. Überraschen: die App wurde im Rahmen des Reformationsjubiläums 2017 aus öffentlichen Mitteln finanziert. Es scheint also doch noch Hoffnung für gut investierte öffentliche Kulturförderung zu geben.

Cranach hätte es so gewollt ;)

Ein echter Lorenz, Cranach hätte es so gewollt 😉

Cod1ng Da V1nc1

Als letztes habe ich kein Tool, sondern ein Projekt ausgewählt, das genau solche Tools schaffen soll. Bei diesem Hackathon geht es darum, rund um öffentlich zugängige Daten, Informationen und Medien Ideen zu entwickeln, wie diese weiter und in dieser Kombination in neuen Kontexten verwendet werden können. Die Ergebnisse zeigen: Wir sind noch lange nicht da, wo Remixe ihr volles Potential erfolgen.

Fazit: Remixe Dir Dein eigenes Werk!

Ich finde solche Tools toll. Ich liebe es, mit ihnen zu experimentieren, Blogposts und Tweets damit anzureichern. Je einfacher die Handhabung, umso besser können die Tools von möglichst vielen Internetnutzern eingesetzt werden. Und mit den Tools kommen auch die Ideen.

Eine Grundlage für das rechtssichere Remixen von Medien ist die Erlaubnis dazu. Ein sehr einfacher Weg ist der über Werke, die unter freien Lizenzen stehen. Deshalb ist auch der Weg der Fachhochschule Lübeck richtig und nur konsequent, schließlich haben wir einen staatlichen Bildungsauftrag.

Oder kitschig formuliert: es braucht Jedis, um Märchen wahr werden zu lassen.

Credits

Überschrift in Anlehnung an den Beitragstitel von Martin Lindner (2006): Use These Tools, Your Mind Will Follow. Learning in Immersive Micromedia & Microknowledge Environments. Research Paper for ALT-C 2006: The Next Generation, Edinburgh, Scotland – also auch ein Remix 😀